Ende Mai 2018 wurde ein aufsichtliches Leitlinienpapier zur RisikotragfÀhigkeit durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank veröffentlicht, das die bestehenden Vorgaben aus dem Jahr 2011 ersetzt. Der Leitfaden richtet sich an unmittelbar von der BaFin beaufsichtigte Less Significant Institutions (LSI) und enthÀlt Vorgaben, die von der nationalen Aufsicht zukÌnftig bei der Beurteilung der bankinternen RisikotragfÀhigkeitskonzepte zugrunde gelegt werden. Die bisher in Deutschland verwendeten RisikotragfÀhigkeitskonzepte Going-Concern-Ansatz (FortfÌhrungsperspektive) und Gone-Concern-Ansatz (Liquidationsperspektive) werden dadurch zu Auslaufmodellen. An ihre Stelle treten normative und ökonomische Perspektiven, die nach und nach umgesetzt werden sollen.
Aufwertung der Kapitalplanung: Die normative Perspektive
Die normative Perspektive stellt eine Aufwertung des bereits in den MaRisk verankerten Kapitalplanungsprozesses und dessen VerknÌpfung mit der RisikotragfÀhigkeitsanalyse dar. Sie stellt sicher, dass ein Institut die regulatorischen Mindestkapitalanforderungen und relevante Kapitalpufferanforderungen fÌr einen Zeitraum von mindestens drei Jahren nachweisen kann. Neben der Darstellung eines Planszenarios mÌssen im Rahmen von mindestens einem adversen Szenario allen denkbaren negativen Abweichungen vom geplanten GeschÀftsverlauf Rechnung getragen werden. Bei der Ausgestaltung dieser adversen Szenarien mÌssen betreffende BankhÀuser auch Risiken aus der ökonomischen Perspektive berÌcksichtigen, wodurch eine Verbindung der beiden neuen AnsÀtze geschaffen werden soll.
Betrachtung Ìber die Regulatorik hinaus: Die ökonomische Perspektive
Die ökonomische Perspektive ergÀnzt die normative Sicht um eine interne Analyse des in den MaRisk geforderten Schutzes der InstitutsglÀubiger vor ökonomischen Risiken. Sie muss dabei Risikobestandteile umfassen, die in der Regulatorik und/oder Rechnungslegung nicht vollstÀndig abgebildet werden. Auch auf Seiten der Deckungsmasse, die den Risiken gegenÃŒbergestellt wird, muss eine von der Rechnungslegung losgelöste, ökonomische Betrachtung durchgefÃŒhrt werden. Bei der konkreten Quantifizierung der Risiken und des Risikodeckungspotenzials gewÀhren die ÃŒberarbeiteten Vorgaben in AbhÀngigkeit von der GröÃe und KomplexitÀt eines jeden Instituts interessante GestaltungsspielrÀume. So ist neben einer rein wertorientierten Bestimmung der Risiken und des Risikodeckungspotenzials in Form des Unternehmensbarwerts auch der Vergleich barwertnaher Risiken mit den um stille Reserven und Lasten bereinigten Eigenmitteln als AnnÀherung an eine barwertige Betrachtung möglich.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Ich halte die ÃŒberarbeiteten aufsichtlichen Vorgaben in ihrer Ausrichtung fÃŒr nachvollziehbar und zielfÃŒhrend. Insbesondere ist die Vermeidung einer potenziellen Doppelanrechnung von Risiken heutiger Going-Concern-AnsÀtze sehr zu begrÃŒÃen. Wertungen und Handlungsempfehlungen des Risikomanagements gelangen durch den zukÃŒnftigen Wegfall dieses Angriffspunkts zu mehr Gewicht und Akzeptanz.
Eine der gröÃten Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Vorgaben dÃŒrfte in vielen FÀllen jedoch die EinfÃŒhrung der barwertig orientierten ökonomischen Perspektive sein. Insbesondere LSI, die bisher ausschlieÃlich einen buchwertigen FortfÃŒhrungsansatz nutzen, dÃŒrften hier ins Schwitzen kommen. Und das ist laut der kÃŒrzlich veröffentlichten Range-of-Practice-Studie der Deutschen Bundesbank zur RisikotragfÀhigkeit im Zeitraum 2015 bis 2017 immerhin bei knapp 93 Prozent der deutschen LSI der Fall. Eine weitere groÃe Herausforderung stellt die Ausgestaltung der adversen Szenarien dar und in diesem Zusammenhang insbesondere die Entwicklung des Zusammenspiels mit der ökonomischen Perspektive. Eine frÃŒhzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Vorgaben erscheint trotz des mehrjÀhrigen Ãbergangzeitraums daher sehr sinnvoll.

